
Aufzeichnung meiner Rede zur EU-Verordnung über ökologische/biologische Produktion
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute ist Welternährungstag. Für den Welternährungstag haben wir uns die Debatte über die ökologische Landwirtschaft ausgesucht; denn der ökologische Landbau oder, besser gesagt, eine auf regionalen Ressourcen aufbauende, extensive Landwirtschaft spielt in den Entwicklungsländern im Gegensatz zur intensiven Agrarproduktion in Deutschland, Europa und Amerika eine viel größere Rolle. Weltweit wird in kleinbäuerlichen Strukturen der überwiegende Anteil an Nahrungsmitteln lokal erzeugt und regional vermarktet. Es gibt eine extensive Landwirtschaft ganz ohne Kontrollen, ohne Ökozertifikate und Ökozertifikatsverpflichtung. Genauso wie wir mit der Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz den ländlichen Raum in den Mittelpunkt unserer Agrarpolitik der Zukunft rücken wollen, müssen auch die ländlichen Räume in den Entwicklungsländern abseits der großen Städte entwickelt werden, um die Lebensbedingungen der Menschen dort zu verbessern.
(Beifall bei der SPD)
Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört in erster Linie die Bekämpfung des Hungers. Jeder Mensch hat das Recht auf Nahrung; aber ein Recht zu haben und Brot zu bekommen, sind eben zwei verschiedene Paar Schuhe.
Genauso, wie wir den ökologischen Landbau in kleinbäuerlichen Betrieben in den Entwicklungs- und Schwellenländern schützen und stärken wollen, wollen wir auch den ökologischen Landbau in Europa stärken und damit die Marktchancen der Biolandwirte deutlich verbessern.
Nun liegt ein Entwurf der EU-Kommission vor, und als ich ihn gelesen habe, fiel mir ein: Wat den Een sien Uul, is de Anner sien Nachtigall.
(Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Ja, richtig!)
Also: Dem einen mag es gefallen, dem anderen nicht. – Ich glaube, wir können feststellen: Uns allen gefällt es nicht. Denn dieser Entwurf von Noch-Kommissar Ciolos bedeutet eine Bedrohung des ökologischen Landbaus.
Mit unserem gemeinsamen Antrag wollen wir der Bundesregierung bei ihren Verhandlungen in Brüssel den Rücken stärken; denn diese setzt sich in Brüssel vehement für gute Rahmenbedingungen für den ökologischen Landbau ein. Und wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Signal an das Europäische Parlament senden, nämlich, dass wir die Rahmenbedingungen des ökologischen Landbaus weiterentwickeln wollen, aber mit den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen nicht einverstanden sind.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU))
Meine Kollegin Rita Hagl-Kehl und ich waren kürzlich in Brüssel und haben sowohl mit der Generaldirektion AGRI wie auch mit dem Berichterstatter des Europäischen Parlamentes, dem Grünen Martin Häusling, gesprochen. Mit Herrn Häusling waren wir uns absolut einig, genau wie wir es heute im Deutschen Bundestag sind.
Das Gespräch mit den Kommissionsbeamten verlief nicht ganz so erfreulich. Am Anfang war von Missverständnissen die Rede: Das sei doch alles gar nicht so schlimm, und eigentlich seien wir doch einer Meinung; wir hätten nur unterschiedliche Ansätze. Aber je länger das Gespräch dauerte, desto kälter wurde es. Es haben sich deutliche Differenzen herausgestellt. Rita Hagl-Kehl wird auf diese Differenzen weiter eingehen.
Ich möchte an dieser Stelle nur ein Beispiel herausgreifen. Die Kommission schlägt vor, die Rückstandswerte für Pestizide aus der ökologischen Produktion besonders niedrig anzusetzen – auf dem Niveau von Babynahrung. Auf den ersten Blick könnte man der Meinung sein, das sei doch genau das Richtige. Aber für den Biolandwirt bedeutet das Folgendes: dass er mehr Geld für Kontrollen hinsichtlich potenzieller Verunreinigungen mit Pestiziden auszugeben hat, deren Einsatz er eigentlich gar nicht zu verantworten hat. Denn im ökologischen Landbau ist der Einsatz von synthetisch-chemischen Pestiziden verboten.
Zum anderen – geht es nach dem Willen der EU-Kommission – soll zukünftig nur noch der Rückstandswert im Endprodukt beachtet werden. Damit würde die biologische Landwirtschaft eines deutlichen ökologischen Mehrwerts für die Umwelt, für die Gewässer und für die Böden beraubt werden. Denn wer sich ein wenig in der ökologischen Landwirtschaft auskennt, der weiß, dass das System Ökolandbau sowohl einen ökologischen Mehrwert im Hinblick auf das Produkt erbringt als auch auf jeder einzelnen Stufe der Produktion die ökologische Integrität bewahrt; die entscheidenden Qualitätsmerkmale können immer wieder kontrolliert werden. Es wird eben nicht nur das Endprodukt betrachtet.
Wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen heute ein Signal nach Brüssel senden, dass wir diese Qualitätsmerkmale der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft erhalten wollen. Wir wollen verhindern, dass ökologischer Landbau künftig nur noch unter Glas stattfinden kann. Wie ökologisch das ist, sollte sich der eine oder andere einmal überlegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Kommission in Brüssel muss einen verlässlichen und eindeutigen europäischen Rechtsrahmen schaffen. Nur dadurch kann die ökologisch bewirtschaftete Anbaufläche in Deutschland und Europa ausgeweitet werden, was Landwirten, Verbrauchern, landwirtschaftlichen Nutztieren und der Umwelt gleichermaßen zugutekäme.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und den Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) und Abg. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))