Liebe Kolleginnen und Kollegen!Never change a running system, oder, wie man in Ostfriesland auf gut Deutsch sagt: Nooit an klütern, wenn wat löppt. Es gilt normalerweise: Wenn etwas gut funktioniert, dann soll man das eigentlich nicht verändern.
Das gilt allerdings nicht bei der Energiewende; denn es liegt in der Natur der Sache, dass bei der Energiewende ständig nachjustiert werden muss, weil die verschiedenen Phasen in der Energiewende unterschiedliche Maßnahmen erfordern, die man eben jeweils wirken lassen muss.
Was wird jetzt mit den Gesetzentwürfen neu geregelt? Es werden zwei Branchen neu in die Besondere Ausgleichsregelung im EEG aufgenommen: einmal die Branche „Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen“, zum Zweiten die Branche „Wärmebehandlung von Stahl“. Erstere ist wichtig für den Karosseriebau. Das ist überhaupt keine Frage. Die gesamte Automobilbranche hängt letzten Endes an dieser Branche. Die zweite Branche ist beispielsweise für Armaturen wichtig. Sollten Sie einmal einen Wasserhahn aufdrehen, dann haben Sie es mit dieser Branche zu tun.
Ich gebe zu und kann an dieser Stelle berichten: Es gab zwischenzeitlich noch weitere Begehrlichkeiten; denn wenn man erst einmal eine solche Dose aufmacht, dann gibt es weitere Begehrlichkeiten. Das System orientiert sich nicht daran, um das ganz deutlich zu sagen, welches Produkt ich herstelle, und zwar egal wie; das System orientiert sich an der Handelsintensität und der Stromkostenintensität.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat noch nicht, wer will nochmal?)
Jetzt gibt es in dieser Frage eine eindeutige Datenlage. Aus meiner Sicht ist es aufgrund der Datenlage, die jetzt aktuell ist, nur gerecht, diese beiden Branchen mit in die Besondere Ausgleichsregelung aufzunehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
An dieser Stelle würde ich gerne mit dem Gerücht aufräumen, die Wirtschaft sei von der EEG-Umlage befreit und nur die Bürgerinnen und Bürger müssten diese zahlen, weshalb die Befreiung bei der Besonderen Ausgleichsregelung ungerecht sei. 96 Prozent der Unternehmen, die in der Bundesrepublik Deutschland wirtschaften, zahlen die EEG-Umlage in voller Höhe. 4 Prozent der Unternehmen zahlen den verringerten Satz durch die besondere Ausnahmeregelung. Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistungsbranche zahlen circa 50 Prozent der EEG-Umlage; das muss uns bewusst sein. Private Haushalte zahlen ungefähr ein Drittel der EEG-Umlage. Auf jeden Fall kann man nicht sagen, nur die Bürgerinnen und Bürger würden die EEG-Umlage tragen.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die verbrauchen auch viel weniger!)
Der zweite Bereich, den wir regeln, ist die anteilige Direktvermarktung. Die wollten wir eigentlich – das muss man ehrlicherweise sagen – schon im letzten Jahr bei der grundsätzlichen Novelle zum EEG regeln.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hättet ihr uns zustimmen können!)
Aber das haben wir so nicht einrichten können. Jetzt ist es also möglich, dass in mehreren Anlagen produzierter Strom – zum Beispiel mehrere Windenergieanlagen in einem Windpark – über eine gemeinsame Messeinheit aufgeteilt werden kann, in mehrere Veräußerungsformen überwandern kann. Es kann also der Verkauf an große Direktkunden oder der Verkauf an unterschiedliche Stromhändler organisiert werden. Das hilft – Stichwort „Akteursvielfalt“, die wir erhalten möchten – den Produzenten von erneuerbaren Energien, bei der Vermarktung ihrer Energie jeweils eigene Wege zu finden, und gibt damit eine gewisse Evolution frei.
Ich sagte eingangs, dass bei der Energieklimapolitik ständig nachjustiert werden muss. Das Verständnis dafür ist nicht überall vorhanden, um das einmal ganz vorsichtig zu sagen. Deswegen möchte ich noch einige Worte zu dem Vorschlag von Frau Aigner zum Energieleitungsbau sagen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)
Im Bundestag haben wir neulich eine Debatte über die größtmögliche Erdverkabelung geführt, um Bürgerakzeptanz herzustellen. Jetzt haben wir den Vorschlag aus Bayern vorliegen, Leitungen um Bayern herum zu legen. Immerhin haben wir einen Fortschritt; denn vor vier Wochen haben wir darüber debattiert – übrigens auf breiter Basis –, ob die Leitung überhaupt erforderlich ist. Nun sind wir nicht mehr auf der Ebene, dass wir die Erforderlichkeit der Leitung anzweifeln, sondern nur noch die Art und Weise, wie wir das machen.
(Beifall bei der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihr wollt doch auch keine Leitungen!)
Wie ist dieser Vorschlag von Frau Aigner zu bewerten, wie ist er zu verstehen, wie soll ich das in die normale Welt der Bürgerinnen und Bürger übertragen und umsetzen? Das will ich an dieser Stelle mit einem Beispiel illustrieren. Stellen Sie sich vor: Meine Tochter Johanna, neun Jahre alt, hat eigentlich kein Einsehen in die Notwendigkeit, ihr Zimmer aufzuräumen. Jeder, der Familie hat, kennt diese Situation. Sie wäre aber bereit, die Notwendigkeit des Aufräumens ihres Zimmers nicht weiter anzuzweifeln, wenn ihr Bruder Jona die Arbeit dafür übernehmen müsste. Nach ihrem Jurastudium wird meine Tochter Johanna dann später den Begriff „Vertrag zulasten Dritter“ damit verbinden. Die Reaktion ihres Bruders ist allerdings so wie die Reaktion von Hessen und Baden-Württemberg: verständlicherweise bestenfalls Kopfschütteln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Einige Akteure bei der Energiewende sind überzeugt von Ausschreibungen. Wir haben die ersten Ergebnisse aus der Pilotausschreibung vorliegen. 150 Megawatt sind ausgeschrieben worden. Angebotsseitig ist vierfach überzeichnet worden. Ich bin mir aber nicht sicher – das sage ich an dieser Stelle ganz klar –, ob der Beweis wirklich erbracht ist, dass mit der Ausschreibung die Ziele erreicht wurden, die eigentlich erreicht werden sollen.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eben nicht!)
Die Ziele unserer Fraktion sind: Akteursvielfalt erhalten und Preise zumindest nicht steigen lassen, am besten senken.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Preise sind gestiegen!)
Eine Ausschreibung allein – das weiß ich auch – ist noch nicht aussagekräftig genug. Wir behalten diese Ziele fest im Auge.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Preise gestiegen! Eigentor!)
Diskussionsbedarf gibt es weiterhin beim Klimabeitrag. Beim ersten Mal habe ich noch Alternativvorschläge vermisst. Mittlerweile ist klar, dass es einen kompletten Alternativvorschlag nicht geben kann. Zu den einzelnen Elementen muss es Alternativvorschläge geben. Dafür haben wir mittlerweile durchaus eine große Anzahl an alternativen Vorschlägen. Wir sind jetzt endlich Gott sei Dank – das war im Dezember letzten Jahres nach dem Kabinettsbeschluss noch nicht der Fall – in -einer gesamtgesellschaftlichen Debatte, und in dieser -gesamtgesellschaftlichen Debatte werden wir auch Lösungen zum Erreichen der Klimaziele bekommen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das denn?)
Für die Zukunft würde ich mir allerdings noch eine weitere gesamtgesellschaftliche Debatte wünschen, die die Energiebranche betrifft, nämlich eine Debatte mit den Gewerkschaften und mit den Energieunternehmen darüber, wie wir den Strukturwandel in der Energieproduktion so hinbekommen, dass die Bürgerinnen und Bürger und vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Energiebranche sich mitgenommen fühlen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben viele Zukunftsaufgaben. Heute stimmt die SPD-Fraktion für den Gesetzentwurf zur Änderung des EEG, weil das vom System her richtig und vor allen Dingen gerecht ist.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)