Rede vom 08. September 2016 zum Haushalt Einzelplan 10 Ernährung und Landwirtschaft

Rede vom 08. September 2016 zum Haushalt Einzelplan 10 Ernährung und Landwirtschaft

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Das Gesamtvolumen des Einzelplans für Landwirtschaft und Ernährung beträgt 5,9 Milliarden Euro. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Ich möchte heute auch, aber nicht nur deswegen, weil der Minister anfangen wollte, über ländliche Raumentwicklung zu sprechen, dieses Thema aufgreifen und den Schwerpunkt meiner Rede auf die Entwicklung ländlicher Räume legen.

Ich glaube, dass es trotz des Verhältnisses von 20 Millionen Euro pro Jahr für die Entwicklung ländlicher Räume zu den 5,9 Milliarden Euro Gesamtvolumen ein enormer Fortschritt dieser Legislaturperiode ist. Es ist nicht zuletzt den Sozialdemokraten zu verdanken, dass wir das so hinbekommen haben.

(Beifall bei der SPD)

Das sind 100 Millionen Euro in fünf Jahren für die Entwicklung ländlicher Räume. Wir werden die ländlichen Räume weiterentwickeln. Wie man bei uns sagen würde: „Wi könn‘t dat – un wi maak’t dat ok!“, und zwar nicht nur durch Haushaltsansätze, sondern vor allen Dingen auch durch Politikansätze.

Dabei ist zum Beispiel der Ansatz der sozialen Dorferneuerung zu nennen. Mit der sozialen Dorferneuerung ist gemeint, dass wir die ursprüngliche Dorferneuerung weiterentwickeln. Früher war Dorferneuerung so angelegt, dass man sich die Straßen angesehen und gesagt hat: Sie sind in einem schlechten Zustand; wir investieren Geld, und am Ende der Dorferneuerung sind die Straßen dann in einem besseren Zustand.

Wir wollen aber, dass Konzepte des Zusammenlebens der Menschen in den Dörfern gefunden werden, dass das Miteinander gestärkt wird und dass man der Frage nachgeht, wie man in welchen Verhältnissen zusammenlebt. Wir wollen nicht den Tiefbau fördern, sondern das Zusammenleben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE))

In diesem Zusammenhang gibt es zum Beispiel auch das Konzept des Dorfkümmerers. Ich glaube, an dieser Stelle kann man ruhig sagen, dass die Gemeindeschwester Emmi Austermann aus Pewsum im tiefsten Ostfriesland sicher nie damit gerechnet hätte, dass sie einmal im Deutschen Bundestag erwähnt wird. Sie war bis in die 60er-Jahre hinein diejenige, die sich gekümmert hat, wenn irgendwo ein Kind geboren wurde, wenn es irgendwo Schwierigkeiten in der Erziehung gab oder wenn insgesamt in der Ortschaft das eine oder andere aus dem Lot geraten ist. Wir brauchen wieder solche Dorfkümmerer. Das ist unser Wunsch für die soziale Dorferneuerung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Wertschöpfung stärken, weil das Arbeitsplätze schafft. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass man in den ländlichen Räumen nicht nur landwirtschaftliche Produkte herstellt und diese dann zur Veredelung nach außen gibt, sondern wir müssen die Veredelung wieder in die ländlichen Räume zurückholen, damit die Menschen nicht nur vor Ort wohnen, sich amüsieren und die tolle Landschaft betrachten können, sondern auch Arbeit finden und für ihre Familien sorgen können.

Dazu gehört auch, dass wir dafür sorgen, dass es wieder regionale Produkte gibt, die wir dann auch regional vermarkten können. Dieses Bewusstsein muss gestärkt werden, und ich bin sicher: Das wird uns gelingen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nicht zuletzt werden wir auch über Bildungsangebote im ländlichen Raum sprechen müssen, getreu dem Motto „Kurze Wege für kurze Beine“. Integrierte Schulsysteme sind genau das, was wir für die ländlichen Räume und deren Bildungsstruktur brauchen, zum einen, um das Angebot aller Schulformen vor Ort sicherzustellen, aber zum anderem auch, weil hinter dem integrierten Schulsystem eine andere Idee steckt: nicht die Idee des Konkurrenten im Klassenzimmer, sondern die Idee des Partners bei der Erreichung von Zielen und der Wunsch, dass Kinder, die an integrierten Schulen unterrichtet werden, schon in der Schulzeit die Erkenntnis gewinnen, dass der Mensch mehr wert ist als die Summe seiner Schulnoten.

Wir werden uns insgesamt natürlich auch darüber Gedanken machen, wie ländliche Kulturarbeit stattzufinden hat. Ich kann an dieser Stelle einen Blick auf die Internetseite der Ländlichen Akademie Krummhörn empfehlen, die schon ohne Förderung hervorragende ländliche Kulturarbeit macht. Aber mit einer freundlichen Förderung des Bundesministeriums würde sie die Kultur noch viel besser gestalten, Herr Minister.

Wir brauchen innovative Verkehrskonzepte bzw. Mobilitätskonzepte. Der öffentliche Personennahverkehr ist nicht in einem besonders guten Zustand. Aber auf der anderen Seite ist es schwierig, seitens der öffentlichen Hand Mitfahrkonzepte zu organisieren. Zwischen meinem Heimatort und der nächstgelegenen Stadt werden jeden Tag 15 000 leere Sitze hin- und hergefahren. Aber für eine Rentnerin wird es schwierig, von dem einen Ort zu kommen, einzig und allein deshalb, weil es an bürokratischen Hürden gescheitert ist – es war auch mir damals in der Verwaltung nicht möglich, sie zu überwinden -, Mitfahrkonzepte auf öffentlicher Ebene zu organisieren. Daran müssen wir arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir müssen auch daran arbeiten, dass der Breitbandausbau im ländlichen Raum vorankommt, und zwar nicht nach den urbanen Zentren, sondern gleichzeitig mit ihnen.

Ich habe in diesen Tagen oft gehört, dass die Vectoring-Entscheidung stark kritisiert wird. Aber als Landei, als Kind vom Land, sage ich Ihnen: Mir ist lieber, schneller besseres Internet zu haben, als mich mit wirtschaftstheoretischen Ergüssen auseinanderzusetzen. Aus der Position einer Stadt wie Berlin mit der entsprechenden Versorgung kann ich leicht argumentieren, ob jemand ein Monopol bekommt oder nicht, aber das interessiert die Menschen im ländlichen Raum nicht. Sie wollen ans Internet angeschlossen werden. Deswegen werden wir massiv in den Glasfaserausbau investieren müssen, und zwar nicht nur in urbanen Zentren, sondern auch in den ländlichen Räumen. „Fiber to the building“ heißt das Stichwort in dieser Frage.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 100 Millionen Euro in fünf Jahren – also 20 Millionen Euro für die Entwicklung ländlicher Räume pro Jahr – sind viel Geld; aber das ist nur ein Einstieg. Wir werden deutlich mehr Geld brauchen, wenn wir, wie man so schön sagt, die Projekte, die jetzt im Pilotstadium entwickelt werden, übers Land ausrollen bzw. im Land implementieren wollen. Deswegen werden wir uns in den nächsten Monaten, aber auch in den nächsten Jahren Gedanken machen müssen, wie wir denn die Ausfinanzierung der weiteren Umsetzung gestalten wollen. Das kann man zum Beispiel machen, indem man sich Gedanken darüber macht, ob die GRW und die GAK in dieser Frage nicht viel enger miteinander verbunden werden könnten, als das bisher der Fall ist.

Mein letzter Gedanke dazu ist: Wir müssen aufpassen, dass die Küstenschutzmittel noch in ausreichendem Umfang vorhanden sind. Ich habe in diesem Jahr als Deichrichter zum ersten Mal erlebt, dass nicht ausreichend Mittel für den Küstenschutz vorhanden waren. Das war nicht so, weil die Dinge zu teuer wurden, sondern weil die Zahl der angemeldeten Maßnahmen in sehr starkem Maße gestiegen war. Wir müssen also darauf achten, dass die Mittel dafür in ausreichendem Maße vorhanden sind.

Wi könn’t dat – un wi maak’t dat ok! Mit diesem Haushalt entwickeln wir – da bin ich ganz sicher – die ländlichen Räume ein kleines Stück weiter.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)