Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Worum geht es bei dieser Änderung des Seefischereigesetzes? Im Kern geht es um die Umsetzung von zahlreichen Bestimmungen des EU-Rechtes. Zum Beispiel geht es darum, Sanktionierungen bei Fehlverhalten zu regeln, und zwar nicht nur bei Fehlverhalten von Fischern, sondern auch bei Fehlverhalten von Inhabern von Fischereilizenzen, also den Fischereibetrieben. Es geht darum, die Zuständigkeit für Fragen jeglicher Art hinsichtlich Fangerlaubnissen auf das Verwaltungsgericht Hamburg zu übertragen, damit Rechtsklarheit besteht. Es geht darum, dass Kapitäne Auskunftsrechte hinsichtlich möglicher Strafpunkte erhalten. Das ist da genauso wie mit Flensburg. Dafür müssen sie das Recht haben, die Auskunft zu bekommen.
Man kann das alles mittragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das will ich an dieser Stelle sagen. Wichtig ist, dass das Gesetz zügig – also noch in diesem Jahr – verabschiedet wird, denn die EU-Konformität ist die Voraussetzung für die Auszahlung von Fördermitteln aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds, dem EMFF.
Der EMFF ist für die Fischerei besonders jetzt von enormer Bedeutung. Das liegt an den Stilllegeprämien, die sonst nicht möglich wären. Was ist das eigentlich? Fischer verpflichten sich freiwillig, nicht rauszufahren und damit die Bestände zu schonen. Dabei verdienen sie natürlich kein Geld, und damit sie Geld verdienen, bekommen sie eine Entschädigung aus EMFF-Mitteln. Wir haben ein aktuelles Problem – wir haben miteinander darüber gesprochen -, müssen wir 2017 doch eine starke Kürzung der Fangquote – von weit über 50 Prozent – beim Ostseedorsch hinnehmen, weil unter anderem der Nachwuchs des Ostseedorsches 2015 komplett ausgefallen ist. Die Gründe dafür können vielfältig sein, sie sind auf jeden Fall nicht bei den Fischern zu suchen. Die Fischerei ist auf die Stilllegeprämie mindestens so lange angewiesen, bis die Dorschquote wieder auskömmlich ist.
(Beifall bei der SPD)
Ohne EMFF, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Nachhaltigkeit der Fischerei gefährdet. Wer nachhaltige Fischerei will, muss auch sicherstellen, dass die Fischerei selber eine nachhaltige Grundlage hat. Allerdings gibt es einen deutlichen Webfehler im Gesetz – das will ich an dieser Stelle noch einmal ausführen -, nämlich die Übertragung von Aufgaben der Fischereiaufsicht von der BLE auf die Bundespolizei bzw. den Zoll. „Laat de Kaat man lopen, Melk gifft de doch neet!“, sagt man in Ostfriesland, wenn ein eigentlich Unzuständiger sich für zuständig erklärt. Ich habe die Handreichung der BLE einmal mitgebracht. Das ist übrigens nur das Kerncurriculum, dazu gibt es noch weitere Dinge, doppelseitig bedruckt, in Englisch – lauter Fachchinesisch und lauter Fachlatein.
Der Zoll soll zum Beispiel Fangkontrollen durchführen. Er muss also in der Lage sein, den Rundnasengrenadier vom Schwarzen Degenfisch zu unterscheiden. Fragt mich, wer von uns das kann! Es gibt Vorschriften hinsichtlich der Beifänge, hinsichtlich der Fangmethoden, Netzgröße, Netzform, Maschenweite, Maschenform und, und, und. Viel Spaß, Kolleginnen und Kollegen, kann ich da nur sagen.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Hurra!)
Diese Kontrollen sollen für Zoll und Bundespolizei möglich werden in einer Zeit der Diskussion über Kameras an Bord, in einer Zeit, wo man mittels AIS-Daten von der Badewanne aus sehen kann, wo sich die Fischereifahrzeuge gerade befinden, mit Vessel-Monitoring-Systemen, in einer Zeit, wo die Fangdaten je Hol in das Logbuch einzutragen sind, und einer Zeit, in der wir gerade dabei sind, neue Schiffe für die BLE bauen zu wollen. Wofür eigentlich, wenn der Zoll das alles kann?
Warum gibt es das nicht eigentlich auch umgekehrt? Das heißt, die BLE kontrolliert neben den Belangen der Fischereiaufsicht mit, ob eventuell Zigaretten geschmuggelt worden sind.
(Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Können wir machen! gute Idee!)
Ich glaube, das ist dann viel einfacher.
Ein Argument für die Kompetenzübertragung auf Zoll und Bundespolizei war, dass es diese Grundlage früher bereits gegeben habe und dies nur aus Versehen herausgefallen sei. Es war aber auch in der Vergangenheit nicht sinnvoll. Es gab 1 100 Sichtkontrollen in fünf Jahren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sichtkontrolle heißt, am Schiff vorbeifahren und gucken, ob eine Flagge gehisst ist, ob sozusagen die Kennzeichnung dran ist – mehr nicht. Keine wesentlichen fachlichen Kontrollen hat es gegeben. Es gab früher nur den Anschein besserer Kontrollen.
Die Staatssekretärin sagte im Ausschuss: Die Kontrollkompetenzen der BLE werden nicht eingeschränkt. – Faktisch wird es aber keine besseren weiteren Kontrollen durch Zoll und Bundespolizei geben können, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Also ist der Sinn, ein Gefühl von mehr und besseren Kontrollen zu vermitteln – quasi Potemkin‘sche Kontrollen, wenn man so will.
(Beifall des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD))
Es wird der Anschein von mehr Kontrollen für die Bürgerinnen und Bürger und von mehr Kontrollen für die Fischer erweckt. Als neues Argument kommt hinzu, dass dadurch die Erhöhung der Achtsamkeit der Fischer eintrete. Fischerei wird über die gefährliche Tätigkeit – und glauben Sie mir, ich kenne Menschen, die auf See geblieben sind – hinaus zur gefahrengeneigten Tätigkeit. Man muss nicht nur aufpassen, nicht unterzugehen, sondern auch aufpassen, nicht bestraft zu werden. Zollkontrollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind an Land – im landwirtschaftlichen Sektor – schon enorm schwierig. Mir leuchtet einfach nicht ein, warum das auf See einfacher sein soll.
Wenn es um zusätzliche Aufgaben für den Zoll gehen soll, dann hätte ich eine Idee, nämlich den illegalen Welpenhandel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, das wäre als Aufgabe für den Zoll angebracht; da muss etwas gemacht werden. Das ist nicht kompliziert, und hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Die betroffenen Bundesländer haben für sich ein Anhörungsrecht bei der Umsetzung der Kompetenzen für den Zoll eingefordert. Grundsätzlich – das kann man daraus lesen – sehen die Bundesländer das aus, wie ich gerade dargelegt habe, nachvollziehbaren Gründen also ebenfalls kritisch. Da gibt es eine Gelegenheit, noch einmal über das Ganze nachzudenken; denn nicht jede Ermächtigung muss auch unbedingt umgesetzt werden. Wenn das dann doch gemacht wird, dann sagt mir mein Gefühl, dass das Seefischereigesetz noch weitere Änderungen erfahren wird. Dann wird diese Kompetenzregelung immer wieder diskutiert werden müssen. Ich freue mich schon auf die entsprechenden Erfahrungsberichte darüber, wie ineffektiv diese Kontrolle tatsächlich stattgefunden hat.
Wer sich um illegale Fischerei kümmert, der sollte sich nicht auf Nord- und Ostsee kaprizieren, sondern lieber im südostasiatischen Raum suchen. Dort gibt es Schiffe, die über ein Jahr lang nicht nach Hause kommen. Dort gibt es Sklaverei und Menschenhandel. Dort gibt es Trash-Fishing; da wird alles rausgefischt, durch die Wurstmühle gedreht und anschließend als Shrimpsfutter verkauft. Dort liegen die wirklichen Probleme. An diesen Problemen können weder BLE noch Zoll oder Bundespolizei etwas ändern, aber wir sollten intensiv darüber diskutieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Trotzdem bekommen Sie, da die Fischer dringend unsere Unterstützung brauchen und die EMFF-Mittel ausgezahlt werden müssen, unsere Zustimmung. Frau Pahlmann, Ihnen danke ich noch einmal ganz herzlich auch für Ihre Worte gerade. Es war eine konstruktive Diskussion, die wir miteinander geführt haben. Dafür herzlichen Dank!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)