Rede vom 01. Dezember 2016 zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leistungsgebundenen Energieversorgung

Die Rede ging zu Protokoll 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in rund 10 Monaten ist Bundestagswahl und deshalb hat man nicht mehr viel Zeit Dinge umzusetzen, die man sich vorgenommen hat.

Und – zugegeben – es hat recht lange gedauert, bis wir nun endlich das umsetzen, was wir im Koalitionsvertrag zu den Konzessionsvergabeverfahren vereinbart haben. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf immerhin schon im Februar dieses Jahres beschlossen. „Dor fallt keen Boom up de eerste Slag“ würde man da in Ostfriesland sagen, was so viel heißt wie „Erfolg braucht Ausdauer“.

 

Aber das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Vor allem steht dieses Gesetz im Lichte der Rechtsklarheit für die Kommunen bei der Durchsetzung ihres Rechtes, Energienetze in ihrer Gemeinde wieder in die eigene Hoheit und eigene Verwaltung zu übernehmen. Die bisherige Rechtsunsicherheit war ein großer Hemmschuh für die Kommunen, die allesamt die originären Konzessionsträger für Energienetze verkörpern. Folglich ist das Betreiben von Energienetzen ein Akt der öffentlichen Daseinsvorsorge und obliegt zu allererst den Kommunen. Trotzdem sollen Kommunen natürlich auch im Rahmen der Vergabeverfahren zu der Entscheidung gelangen, die Energienetze in private Hände zu geben. Allerdings sollen die Kommunen unserer Meinung nach nicht durch vorhandenen Rechtsunsicherheiten dazu gezwungen werden.

 

Der Kabinettsbeschluss vom 03. Februar 2016 sah die Einführung des “objektivierten Ertragswerts” vor, um das Bewertungsverfahren bei Neuvergabe der Konzessionen für Verteilnetze anders als bisher zu regeln. Wir haben diesen Wert von Anfang an als den richtigen Wert angesehen.

Denn mit dem bislang angewendeten Sachzeitwert wurde das Besitzverhältnis unsachgemäß abgebildet, denn das Netz verbleibt ja, vereinfacht gesprochen, bei der Kommune. In der Vergangenheit war der Netzkaufpreis einer der großen Streitpunkte. Der Altkonzessionär wollte möglichst viel Geld haben, der Neukonzessionär möglichst wenig Geld zahlen – absolut verständlich.

Für den Konzessionär kann es aber lediglich darum gehen, welche Einnahmen in den 20 Jahren der Konzession er erzielen kann und darum, das Netz zu verkaufen. Wir begrüßen also die Klarstellung und sind davon überzeugt, dass damit ein fairer Interessenausgleich zwischen Alt- und Neukonzessionär gegeben ist.

Darüber hinaus ist uns die Neuregelung zum Auskunftsanspruch der Kommunen gegenüber dem Altkonzessionär ein wichtiges Anliegen. Der bisherige Zustand, in dem sich der Altkonzessionär weigern konnte, dem Auskunftsersuchen der zu Neuvergabe willigen Kommune nachzukommen, macht die Notwendigkeit dieser Regelung deutlich. Dadurch war der Altkonzessionär allein durch die Verweigerung der Auskunft dazu in der Lage, eine Neuvergabe mindestens zu behindern und seine eigenen Chancen im Verfahren deutlich zu erhöhen. Wettbewerbsgleichheit war das sicher nicht, deshalb ist es gut, dass wir es nun zurechtrücken. Das mag sich zunächst banal anhören, aber die notwendigen Leitungslängen im Verhältnis bspw. zu den Straßenkilometern einer Gemeinde können drastisch abweichen. Das ist z .B. in Fehndörfern der Fall, wo die Siedlungsstruktur üblicherweise so gestaltet ist, dass es in der Mitte einen Kanal gibt und an beiden Seiten des Kanals jeweils eine Straße mit den jeweils den Energieversorgungsleitungen. Fehnorte können also bis zu 100 Prozent mehr Leitungen im Boden vergraben haben (und damit zu verwalten haben) als z. B. Warftendörfer, die üblicherweise im Rund angelegt wurden. Da wie beschrieben die Leitungslängen enorm voneinander abweichen können, je nach Siedlungsstruktur, kann eine Gemeinde die Leitungslängen nicht einfach schätzen, sondern ist darauf angewiesen, dass der Altkonzessionär ihr die notwendigen Daten zur Verfügung stellt, damit die Gemeinde in einem fairen Bieterverfahren sich gegebenenfalls an einer Ausschreibung beteiligen kann.

Darüber hinaus haben wir eine uneingeschränkte Fortzahlungspflicht der Konzessionsabgabe eingeführt, denn unwillige Altkonzessionäre konnten bislang nicht nur das Verfahren anfechten und dadurch das Verfahren hinauszögern, sie konnten zusätzlich auch den Druck auf die Kommune dadurch erhöhen, dass sie nach einem Jahr die Zahlung der Konzessionsabgabe einstellten.

Auch das wird für mehr Rechtssicherheit sorgen, genauso wie das neue Rüge- und Präklusionsregime mit den gestaffelten Rügeobliegenheiten. Diese sehen vor, dass Parteien im Verfahren Rechtsverletzungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt rügen müssen, da der Anspruch auf Abhilfe sonst verfällt.

Es ist vorgesehen, dass Verstöße im Rahmen der Aufstellung und Gewichtung von Kriterien innerhalb von 15 Kalendertagen ab Zugang der entsprechenden Mitteilung zu rügen sind.

Nach Auswahlentscheidung haben unterlegene Parteien 30 Tage Zeit, dagegen ihre Bedenken vorzubringen.

Mit dem neuen § 47 wird nun also zur Stärkung von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eine Präklusionsvorschrift im Gesetz verankert.

Durch diese Pflicht der beteiligten Unternehmen, auch im laufenden Verfahren aktiv auf die Vermeidung und Ausräumung von Rechtsfehlern hinzuwirken, erhöhen sich die Qualität und die Rechtssicherheit von Vergabeverfahren zum Vorteil aller Beteiligten.

Sowohl die Gemeinde als auch ein neuer Netzbetreiber profitieren von einer zügig eintretenden

Rechtssicherheit.

Ich bin auch froh, dass wir im parlamentarischen Verfahren noch einen weiteren Punkt hinzugefügt haben, der die eben genannten ergänzt. Damit meine ich die Begrenzung des Streitwertes auf 100.000 Euro. Damit befreien wir nämlich vor allem die Kommunen von einem weiteren Damoklesschwert.

Das sind die Punkte, die wir verbessert haben. Ich kann aber auch nicht verhehlen, dass es Punkt gab, wo wir, damit meine ich die Sozialdemokraten, uns noch weitere Regelungen hätten vorstellen können.

Wir begrüßen auch die grundsätzliche Absicht des Gesetzes, dass Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als zulässiges Kriterium im Rahmen der Auswahlentscheidung Berücksichtigung finden können. Wir sahen und sehen auch weiterhin bei den Kriterien noch weiteren Konkretisierungsbedarf, vor allem bei der Auswahl, Gewichtung und Beurteilung dieser Kriterien. Und um eine Fehlgewichtung mit Blick auf die im Koalitionsvertrag genannten Ziele zu vermeiden, war mir wichtig darauf ausdrücklich hinzuweisen, dass im parlamentarischen Verfahren beim Zustandekommen dieses Gesetzes sich die Koalition einig ist, dass alle Kriterien gleich gewichtet werden und keines der Kriterien bei der Vergabe einen Schwerpunkt darstellt.

Zur Klarstellung sollte ursprünglich unserer Meinung nach die Hervorhebung „insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz“ gestrichen werden, da ansonsten die in § 1 EnWG ebenfalls genannten Ziele ohne Grund schlechter gestellt werden könnten. Damit konnten wir Sozialdemokraten uns aber leider nicht durchsetzen.

Wir konnten nun mal nicht alle unsere Wünsche im Gesetz unterbringen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass diese Novelle für mehr Rechtssicherheit sorgen wird. Nichtsdestotrotz werden wir die weitere Rechtsprechung im Auge behalten und weiteren Nachsteuerungsbedarf prüfen.

Vielen Dank.