Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mit dem Beschluss über die Ehe für alle haben wir heute Morgen schon etwas für die Gerechtigkeit in Deutschland getan. Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz, das wir jetzt gleich beschließen wollen, wollen wir ebenfalls etwas für die Gerechtigkeit in Deutschland tun. Darin geht es nämlich um die Gerechtigkeit bei der Energiewende. Gestern haben wir mit dem Mieterstromgesetz auch schon etwas für die Gerechtigkeit in der Energiewende getan. Irgendwie scheint das Thema Gerechtigkeit Thema der Woche zu sein.
(Beifall bei der SPD)
Bezogen auf das NEMoG müsste man dann nämlich sagen: „Gleiche Übertragungsnetzentgelte für alle!“ Wenn es um die Kosten des Baus und um den Betrieb von Stromleitungen geht, muss man vor allem zwischen zwei verschiedenen Ebenen unterscheiden. Zum einen gibt es das Verteilnetz, an das jeder zu Hause angeschlossen ist; zum anderen gibt es das Übertragungsnetz, das Strom in großen Mengen zwischen den Regionen in Deutschland transportiert, in Zukunft vor allem grünen Strom aus dem Norden Deutschlands, der in die Lastzentren im Süden und Westen Deutschlands transportiert werden muss. Beim Übertragungsnetz geht es also um deutschlandweite Interessen. Die Kosten fallen bislang aber in den vier Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber in unterschiedlicher Höhe an. Die Netzentgelte auf dieser Ebene sind also nicht gleich verteilt. Das wollen wir nun ändern.
Mit der bundesweiten Angleichung werden wir diese Übertragungsnetzentgelte schrittweise angleichen. Alle werden am Ende das Gleiche zahlen, egal ob in Emden oder Freiburg, in Chemnitz oder in Kassel.
Die Netzentgelte auf Übertragungsebene sind vor allem für industrielle Großverbraucher bedeutsam. Hier schlagen die zum Teil erheblichen Erhöhungen der Übertragungsnetzbetreiber dieses Jahr voll durch. Auch die Klagen der letzten Monate über die Standortnachteile aufgrund hoher Netzentgelte, gerade in den neuen Bundesländern, kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Deshalb hatte sich auch der Bundesrat für eine Vereinheitlichung ausgesprochen, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen wir jetzt um.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Mark Hauptmann (CDU/CSU) – Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der übernächsten Wahlperiode!)
Man muss aber sagen, lieber Kollege Olli Krischer: Wenn es um die Modernisierung der Netzentgeltstruktur geht, ist dieses Gesetz bestenfalls ein Reförmchen. Eine umfassende Reform der Netzentgeltsystematik, die mit Maßnahmen zur Sektorkopplung einhergeht und auch die Finanzierung der Energiewende insgesamt behandelt, muss sehr gut vorbereitet sein. Wir arbeiten schon daran, und ich bin mir sicher: In der nächsten Legislaturperiode werden wir hier zu einer umfassenden Reform kommen, ja, sogar zu einer umfassenden Reform kommen müssen.
Heute wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen weiteren Punkt regeln. Dieser betrifft die vermiedenen Netzentgelte; zugegebenermaßen ein Feinschmeckerthema in der energiepolitischen Debatte. Die vermiedenen Netzentgelte sind im Grunde eine Vergütung für dezentrale Erzeuger, die Netzausbau auf höheren Spannungsebenen durch ihre Erzeugung von Energie vermeiden. Diese vermiedenen Netzentgelte sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Ob das in diesem Maß gerechtfertigt war, darüber kann man diskutieren. Auf jeden Fall war ein Anstieg in der Höhe selbst für Investoren nicht zu erwarten.
Bei den vermiedenen Netzentgelten sind wir den Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministeriums nur teilweise gefolgt. Vor allem das Abschmelzen der vermiedenen Netzentgelte sehen wir kritisch. Mit der KWKG-Novelle haben wir den Betreibern der Anlagen Planungssicherheit gegeben. Wir haben das getan, weil wir die KWK-Anlagen zur Erreichung unserer Klimaziele brauchen. Wenn wir den Betreibern die vermiedenen Netzentgelte gestrichen hätten, hätten wir der KWK wieder den Boden unter den Füßen weggezogen. Wir brauchen mit dem Voranschreiten der Energiewende aber auch die steuerbaren Anlagen; denn diese müssen die Residuallast und andere wichtige Aufgaben erbringen. Weil das so ist, schmelzen wir die vermiedenen Netznutzungsentgelte nicht ab und geben den Betreibern, vornehmlich den Kommunen, damit die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit, die sie brauchen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ralph Lenkert (DIE LINKE))
Man kann das auch mit kleinen Gaskraftwerken machen, die man den Übertragungsnetzbetreibern an die Hand gibt, aber ehrlich gesagt, bin ich von diesem Instrument nicht wirklich überzeugt. Es ist ein Kompromiss, so wie wir in dieser Periode eine ganze Reihe von Kompromissen schließen mussten, die uns nicht wirklich geschmeckt haben.
Ich möchte zum Abschluss dieser Periode noch einen Ausblick wagen. Die Reform der Netzentgeltsystematik in Kombination mit der Sektorkopplung habe ich bereits angesprochen. Aber da wir wissen, dass der Netzausbau nicht hinterherkommt, müssen wir auch über Maßnahmen sprechen, die uns in den nächsten zehn Jahren Entlastungspotenziale im Netz bieten. Als ich gehört habe, wie hoch der durchschnittliche Auslastungsgrad der Stromnetze in Deutschland ist, habe ich erst einmal geschluckt: Es sind 27 Prozent. Es geht in Zukunft also auch um innovative Maßnahmen beim Netzbetrieb, durch die der geplante Netzausbau keinesfalls infrage gestellt werden soll, die aber alles in allem höhere Übertragungsraten liefern sollen – um eine Anleihe aus dem digitalen Jargon zu bemühen.
Es gibt eine ganze Reihe vielversprechender Ansätze. Diese wollen wir uns in den nächsten Monaten genauer anschauen, auf ihr Potenzial prüfen und gegebenenfalls schnellstmöglich umsetzen; denn das günstigste Netz ist das, das nicht gebaut werden muss, das optimiert betrieben wird. In der Energiepolitik wird uns also in den nächsten Jahren sicher nicht langweilig werden.
Ich möchte mich abschließend herzlich bedanken bei meinen Kollegen Berichterstattern, speziell auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMWi. Herr Staatssekretär, nehmen Sie den Dank bitte mit an die Kolleginnen und Kollegen. Ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Leben einmal so vielen Ministerialbeamten das Wochenende vermiese bzw. schlaflose Nächte bereite. Schöne Grüße an die Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte meine Rede auf Plattdeutsch beenden:
Besten Dank för’t tauhörn un leckerst un best för’t taukunft! Moin!