Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so ging: In den letzten Wochen ging mir die Debatte darüber, wer wohl den größeren Knopf hat, ziemlich auf den Geist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Heute haben wir eine Debatte darüber erlebt, wer die bessere Sondierung gemacht hat. Ich kann noch nachvollziehen, dass man darüber streiten kann, weil der eine oder andere auch Verlustängste hat, aber man muss sich einmal angucken, was das ist: Sondierungsergebnisse und Koalitionsvertrag – dazwischen besteht ein Unterschied. Sondierungsergebnisse miteinander vergleichen zu wollen, ist, wie Pakete miteinander vergleichen zu wollen, ohne die Inhalte tatsächlich zu kennen. Seien Sie gewiss: Unser Koalitionsvertragsergebnis wird Sie beeindrucken!
(Beifall bei der SPD – Dr. Gero Clemens Hocker (FDP): Uns auch!)
Es ist die Zeit der Grünen Woche; das wissen wir alle miteinander. Deswegen debattieren wir heute über gesunde Ernährung und weniger über die Vergleichbarkeit von Sondierungsergebnissen. Es ist letzten Endes mit der Grünen Woche auch die Diskussion über Essen und Trinken verbunden. Heute haben wir die gesunde Ernährung im Fokus. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass essen mehr ist als lediglich die Aufnahme von Nahrung. Gemeinsame Mahlzeiten stärken nämlich die Bindungen in der Familie, und das ist gar nicht hoch genug zu schätzen.
Essen sollte ausgewogen sein, sollte regional oder auch einmal international sein, sollte saisonal sein und – als Berichterstatter für Fischerei muss ich das an dieser Stelle natürlich einfließen lassen – auch regelmäßig aus Fisch bestehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Essen ist also etwas sehr, sehr Wertvolles, aber das wird nicht mehr überall so gesehen. Ich rate, dazu einmal einen Blick in die Schulen zu werfen; da läuft nämlich einiges schief. Keine Angst, ich will an dieser Stelle kein neues Schulfach fordern; denn da gäbe es noch mindestens zehn weitere, die man fordern könnte. Aber es sollte möglich sein, in ein pädagogisches Konzept auch ein gemeinsames Schulessenerlebnis aufzunehmen – wenigstens für die Kinder, die das Zuhause nicht mehr erleben dürfen.
Als Bürgermeister meiner Heimatgemeinde Krummhörn habe ich damals versucht, eine Mensa einzurichten. Wir haben in einer Umfrage unter den Schülern danach gefragt, wie viele der Kinder vor der Schule eigentlich gefrühstückt haben. – Die Hälfte! Das heißt, die andere Hälfte hat vor der Schule nicht gefrühstückt. Das ist die Situation. Das ist sozusagen der Rahmen, auf den wir auch öffentliche Infrastruktur aufsetzen müssen. Ich erspare Ihnen jetzt die Antwort, die wir auf die Frage bekommen haben, wie viele Schüler eigentlich ihre Eltern vor der Schule gesehen haben. Das lasse ich an dieser Stelle einmal außen vor.
Es ist ein Problem, wenn sich Menschen – vor allem Kinder – überwiegend von Fett und Zucker ernähren. Damit bekommen sie so viel Energie, dass sie zum einen kaum zu bändigen sind und zum anderen, wenn der Zuckerspiegel anschließend sinkt, buchstäblich in ein Loch fallen. Mitarbeiten bzw. die aktive Teilnahme am Unterricht – das ist auch Arbeit – ist so nicht möglich. Es gibt Konzentrationsschwächen, Fettleibigkeit, schlechte Zähne. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie viele Medikamente man einsparen könnte, wenn man sich gesund ernähren würde.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen (SPD))
Das eine ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie man dem Körper durch richtige Ernährung Energie zuführt. Das andere ist, wie diese Energie wieder abgerufen wird. Dies geschieht nicht durch Smartphones und Spielekonsolen, die vielleicht die Auge-Hand-Koordination verbessern, sondern durch Bewegung – und zwar draußen -, durch mehr Sportunterricht, durch Sport in den Vereinen. Das ist so unglaublich wichtig und gehört zur Ernährung dazu.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir Eltern, wir Erwachsenen sollten das vorleben, das ist nämlich nicht nur gut für uns – „De Buur löppt alltied in sein Vaders Schluurn“, sagen wir in Ostfriesland -, sondern ist auch gut für die Kinder, weil sie es nachmachen. Bewegungsmangel und falsche Ernährung sind kein Problem bestimmter Gruppen, sondern eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Eine wichtige Maßnahme wäre die Kennzeichnung; denn Fett und Zucker sind in Lebensmitteln oft versteckt. Versuchen Sie, sich einen Tag ohne Industriezucker zu ernähren. Das ist ohne Diplom für Ökotrophologie quasi nicht machbar.
(Heiterkeit der Abg. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wenn auf einem Joghurt „30 % weniger Zucker“ steht, dann weiß ich immer noch nicht, ob er zu viel Zucker für mich hat oder nicht.
Die USA, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind sicher kein gutes Vorbild für gesunde Ernährung, aber ein Beispiel für eine Kennzeichnung, die man auch verstehen kann, sind sie allemal.
Wir brauchen eine vernünftige Ampel, eine vernünftige Kennzeichnung. Die Lebensmittelindustrie in den USA – das darf ich an dieser Stelle sagen – ist durch die Kennzeichnung nicht zusammengebrochen, und die Verbraucher, Frau Staatssekretärin, sind auch nicht überfordert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Kennzeichnung ist kein Garant für gesunde Ernährung, aber dringend notwendig und eine leicht zu realisierende Hilfe auf dem Weg zu einer gesunden Ernährung.
Auf der Grünen Woche, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird viel gegessen und getrunken. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass dies künftig noch ein bisschen bewusster und genussvoller geschehen kann.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Link zur Rede vom 18.01.2018 zum Antrag „Gesunde Ernährung – Für ein gesünderes Leben“