Rede vom 23. März 2018 zur Aussprache zur Regierungserklärung Ernährung und Landwirtschaft

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Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin, Sie haben gesagt: Ländliche Räume sind die Kraftzentren in Deutschland. – Da muss ich Ihnen beipflichten. Das ist richtig; das sehe ich genauso. Sie haben auch gesagt: Das Landwirtschaftsministerium ist das Ministerium für den ländlichen Raum. – Dazu komme ich gleich noch. Und Sie sagen: Wenn die ländlichen Räume als Kraftzentrum für Deutschland agieren, dann werden wir die Ideen der Menschen unterstützen und das Ehrenamt besonders fördern. – Das ist löblich; keine Frage. Aber wir müssen gemeinsam konstatieren, dass sich die ländlichen Räume nicht so entwickelt haben, wie wir es gerne gehabt hätten. Auch mit Blick auf die letzten vier Jahre müssen wir das ehrlich eingestehen.

Wenn es in Ostfriesland um die ländlichen Räume geht, dann fragt man: Wat köst mi dat, un wat hebb ik daarvan? Wir müssen uns also fragen: Wo ist eigentlich das Problem, das dazu führt, dass sich die ländlichen Räume nicht wie erhofft entwickelt haben? Es wurde aus meiner Sicht der falsche Fokus auf die ländlichen Räume gelegt. Ich glaube, es kommt wesentlich darauf an, dass in den ländlichen Räumen Wertschöpfung möglich ist, dass Arbeit möglich ist und dass die Menschen dort Arbeit finden. Wichtig ist, dass in ländlichen Räumen der Mittelstand, kleine Unternehmen, Start-ups und das Handwerk gefördert werden.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt zum Beispiel darauf an, dass wir in den ländlichen Räumen nicht nur Milch produzieren, sondern sie auch veredeln. Wir brauchen eine regionale Vermarktung. Diese müssen wir massiv fördern. Es geht dabei um regionale Produkte. Haben Sie schon einmal ostfriesische Milch getrunken? Das wird Ihnen nicht gelingen. Ich finde trotzdem, dass sie ein wichtiges Produkt ist. Ich bin mir auch ganz sicher, dass Sie alle eigentlich gerne ostfriesische Milch trinken würden.

(Beifall bei der SPD)

Dabei geht es auch um die Festsetzung bestimmter Kriterien. So kann man festlegen, dass die Milch nicht mehr als 100 Kilometer transportiert wird, dass sie gentechnikfrei ist, dass die Kühe nicht enthornt wurden und dass es sich um Zweinutzungsrinder handelt. Man kann also Qualitätsstandards festlegen, die die Menschen nachfragen und befürworten.

(Beifall bei der SPD)

Genauso wie es solche Kriterien für regionale Milch gibt, kann es sie auch für regionales Fleisch oder sogar für die regionale Tourismusförderung geben. So kann man den Urlaub bewusst mit einem ökologischen Fußabdruck, der nicht enorm ist, verbringen und eine schöne Zeit mit der Familie erleben.

Was gehört dazu? Dazu gehört Infrastruktur – und daran mangelt es, meine Damen und Herren -: Straße, Schiene, Wasserstraße, aber vor allen Dingen öffentlicher Personennahverkehr. Versuchen Sie einmal, bei uns in Ostfriesland mit dem Bus zu fahren. Da brauchen Sie verdammt viel Zeit.

Dazu gehören auch die Breitbandausstattung und die Herausforderungen bei der 5G-Ausschreibung, vor denen wir stehen. Wir wollen Precision Farming, Frau Ministerin. Aber das haben wir nur dann, wenn es auch eine vernünftige Breitbandabdeckung gibt. Da fehlt es aber an allen Ecken und Enden. Das ist so, als wenn Sie versuchen, sich mit einem Handtuch zuzudecken: Egal wohin Sie es ziehen, irgendetwas ist immer kalt.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört natürlich auch Gesundheitspolitik. Wir haben in den ländlichen Räumen schon längst das Problem, dass man keinen Hausarzt mehr findet. Außerdem ist die Krankenhausversorgung nicht mehr ausreichend. Wenn dann der Hinweis auf Telemedizin kommt, ist das für uns nicht ernüchternd, sondern eher besorgniserregend.

Vielleicht haben wir zu lange Ursachen und Symptome verwechselt. Wir haben darüber gesprochen, dass wir der demografischen Entwicklung entgegenwirken müssen. Aber Demografie ist das Symptom. Die Ursache ist die fehlende öffentliche Infrastruktur. Hier müssen wir eine neue Antwort finden.

(Beifall bei der SPD)

Ein Ministerium für die ländlichen Räume hatte ich schon einmal in einer meiner Reden gefordert, und ich finde, dass das immer noch richtig ist. Es ist jedenfalls richtiger, als ein Ministerium für Heimat zu fordern, weil dort eine Zersplitterung und keine Bündelung stattfindet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen – ähnlich wie bei der Energiepolitik, wo es eine Sektorenkopplung gibt – eine Kopplung von verschiedenen Ministerien und Institutionen. Wir haben allein fünf Ministerien, die sich mit der Frage beschäftigen, wie die ländlichen Räume gefördert werden – Landwirtschaft, Innen, Finanzen, Wirtschaft, Verkehr und digitale Infrastruktur -, und wir haben Zuständigkeiten des Bundes und der Länder. Wenn sich die Menschen in meiner Region fragen:

(Gitta Connemann (CDU/CSU): In unserer Region! Es ist unsere!)

„Warum wollen eigentlich alle die ländlichen Räume fördern, und warum merken wir das im ländlichen Raum nicht?“, dann hat das etwas mit dieser Zersplitterung der Zuständigkeiten zu tun. Wir brauchen die vielzitierte Sektorenkopplung endlich auch bei der Förderung der ländlichen Räume, damit diese Hilfe dort ankommt, wo sie hingehört: im ländlichen Raum.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

 

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