Rede vom 11. September 2018 zur ersten Lesung des Haushaltsgesetzes 2019, Einzelplan 10 (Landwirtschaft und Ernährung)

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat neulich zur Strukturkommission geredet und hat gesagt, er findet es gut, dass bei der Strukturkommission Infrastruktur in den betroffenen Gebieten vorrangig berücksichtigt wird. Ich glaube, dass das richtig ist. Der Strukturwandel ist nämlich beeinflussbar durch Politik und Infrastruktur. Mit „Infrastruktur“ meine ich Straßen, Plätze, Wege, Schienen und Breitband. Aber das alles betrifft nicht nur die Themen, die in der Strukturkommission behandelt werden, sondern auch alle ländlichen Räume; darauf müssen wir uns fokussieren. Wir alle hier im Hause wollen die ländlichen Räume fördern. Aber dafür braucht es kein Gerangel um die Zuständigkeiten unter den verschiedenen Ministerien. Dafür braucht es eigentlich drei Dinge: erstens die Förderung von Infrastruktur im ländlichen Raum, zweitens die Förderung von Wertschöpfung im ländlichen Raum statt nur Rohstoffproduktion und drittens die Förderung von Bildungseinrichtungen in den ländlichen Räumen. Die Zuständigkeit sollte dabei möglichst geballt in einer Hand liegen; denn die Menschen interessieren sich vor allen Dingen für die Zustände und nur ganz wenig für die Zuständigkeiten.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])

Wir wollen das Grundgesetz entsprechend ändern, damit endlich gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden können und damit der alte Spruch „Stadt und Land – Hand in Hand“ endlich wieder Bedeutung erlangt. Auf jeden Fall werden wir – darauf hat die Ministerin hingewiesen – die ländlichen Räume erst einmal finanziell stärken. Ich bin sicher, Frau Ministerin: In einer Ihrer nächsten Reden zum Haushalt, vielleicht in der nächsten Lesung, werden Sie noch konkreter ein paar Punkte zur Förderung der ländlichen Räume sagen.

Zu den ländlichen Räumen gehört auch die Fischerei. Die Fischerei ist derzeit einigermaßen vom Rückwurfverbot bedroht, das von der europäischen Ebene kommt. Grundsätzlich ist das Rückwurfverbot ein richtiges Instrument für die nachhaltige Fischerei. Es hat sich bewährt, überhaupt keine Frage. Aber 2019 ist geplant, die letzte Stufe des Rückwurfverbotes auszuweiten auf alle anderen, die davon nicht mehr betroffen sind, zum Beispiel auch die Krabbenfischerei. Das ist ein großes Problem; denn in der Krabbenfischerei gibt es eine relativ geringe Mortalität des Beifanges. Es ist aus meiner Sicht absolut nicht einzusehen, warum die Krabbenfischerei vom Rückwurfverbot betroffen sein soll; denn sie schafft es trotz der Rückwurfproblematik eigentlich immer noch, dafür zu sorgen, dass letzten Endes genügend von dem überlebt, was man über Bord wirft.

Aber aus meiner Sicht betrifft es auch noch einen anderen Bereich, nämlich das Freizeitangeln. Für Freizeitangler ist es völlig unverständlich, dass sie 30 Jahre lang Mindestmaße einhalten mussten und künftig, ab 2019, plötzlich alles behalten und dann irgendwie entsorgen müssen. Ich finde, es ist irgendwie nicht in Ordnung, dass man auch im Freizeitangelbereich das Rückwurfverbot normiert. Ich kann Ihnen als Angler sagen, dass es eine hohe Überlebensrate gibt, einmal ganz abgesehen davon, wie schwierig die Kontrolle sein würde, ob das wirklich eingehalten wird. Die Fischerei ist ein Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum – keine Frage –, auch für den Tourismus. Deswegen müssen wir hier mit Vorsicht vorangehen.

Im ländlichen Raum spielten natürlich die Dürrehilfen eine große Rolle. Wer meint, dass Dürre ein Wetterphänomen ist, der hat einfach nicht den richtigen Blick auf die Klimaveränderungen. Was mich an der Hilfe, die aus dem Ministerium kommt – die ich überhaupt nicht kritisieren will –, aber besonders interessiert hat, ist die Frage: Was ist eigentlich ein kleiner oder ein mittlerer Betrieb? „Höchstens 50 Millionen Euro Jahresumsatz“ scheint die Definition zu sein. Ich glaube, dass ein Betrieb, der 50 Millionen Euro Umsatz macht, nicht mehr wirklich ein kleiner oder mittlerer Betrieb ist. Ich habe jedenfalls eine andere Landwirtschaft vor Augen, der geholfen werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Landwirtschaft unterliegt unternehmerischer Verantwortung. Früher hat man gesagt: Man hat eine Ernte auf dem Feld, eine Ernte in der Scheune und eine Ernte auf der Bank. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Aber wenn das nicht mehr so ist, dann liegt das an den Rahmenbedingungen, daran, dass Förderstrukturen falsch ausgerichtet sind. Das, was wir immer sagen: „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen statt öffentliches Geld für geförderte Fläche“, ist aus meiner Sicht der richtige Ansatz.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Friedrich Ostendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Dürrehilfe hat einen ernsten Hintergrund, und dieser Hintergrund ist der Klimawandel. Man muss schon nur mit dem rechten Auge sehen oder mit zwei geschlossenen Augen durch die Gegend laufen, um das nicht zu sehen. Dieser Klimawandel ist nicht deutbar, nicht diskutierbar; er ist da. Diesen Klimawandel zu bekämpfen, das hat etwas mit Förderung der erneuerbaren Energien zu tun. Das ist auch Förderung der ländlichen Räume. Die Gemeinden müssen daran einen Anteil in der Wertschöpfung haben.

Dabei gibt es das Totschlagargument: Solange die Netze nicht gebaut werden, müssen die erneuerbaren Energien nicht gefördert werden. – Lassen Sie sich davon nicht in die Irre leiten. Es geht vor allen Dingen auch um den Betrieb der vorhandenen Netze. Darüber sind nämlich viele erneuerbare Energien schon verteilbar. Dazu braucht es ein Gesetz. Aber wie man in Ostfriesland sagt – diesen Eindruck habe ich im Moment –: Man will dat denn woll all, man kummt dor bloot neet tau.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

 

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