Rede vom 14. Februar 2019 zum Kohleausstieg

Rede vom 14.02.2019 zum Kohleausstieg

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bei der Lektüre der Anträge von ganz links bis fast ganz rechts kann man feststellen, dass es Zustimmung zum Ergebnis der Strukturwandelkommission gibt, und das ist doch erst mal etwas Positives.

Man kann nicht wegdiskutieren, Frau Kollegin Baerbock, dass das auch ein Stück weit der Erfolg der SPD ist; denn wir haben diese Kommission in den Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen. Das Ergebnis tragen wir, jedenfalls auf der demokratischen Seite, gemeinsam. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich will an dieser Stelle auch sagen, dass es sich um ein ausgewogenes Ergebnis handelt

(Lachen des Abg. Martin Hebner [AfD])

und dass ihm ein breiter gesellschaftlicher Konsens zugrunde liegt. Darüber kann man noch so sehr lachen; am Ende ist es dieser breite gesellschaftliche Konsens, der dafür sorgen wird, dass diese schwierige Frage politisch auch umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Umsetzen müssen wir das. In Ostfriesland würde man sagen: Well an Wunner lööft, is een, de in de Steerns kiekt un in’t Schloot löppt.

(Zurufe von der AfD: Oh!)

Mit anderen Worten: Wir haben richtig Arbeit vor uns. Mit dieser Arbeit wollen wir uns beschäftigen.

Mit dieser Arbeit haben Sie sich auch in Ihren Anträgen beschäftigt. Die FDP findet: Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist eine „Chance, Deutschland zum Weltmarktführer bei der Energie- und Umwelttechnologie zu machen“.

(Stephan Brandner [AfD]: Welche denn?)

Ich finde, damit haben Sie Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig finden Sie aber auch, dass eine Gefährdung für „die Konsolidierung der deutschen Staatsfinanzen“ vorliegt. Damit, finde ich, haben Sie nicht Recht, und Sie müssten sich dann schon entscheiden, ob Sie das nun als Chance oder Risiko sehen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Auf jeden Fall setzen Sie auf CCS-Technik. Für die Menschen, die sich nicht jeden Tag damit beschäftigen, sage ich: Das heißt, CO2 wird aus Abgasen herausgefiltert und dann in den Boden verpresst – in der Hoffnung, dass das dann auch im Boden bleibt. Keiner weiß, wie teuer das tatsächlich ist. Vor allen Dingen weiß keiner, welche Umweltauswirkungen das hat. Da gilt das Prinzip Hoffnung, meine Damen und Herren.

Die AfD befürchtet hohe Strompreise. Das haben wir gerade gehört.

(Stephan Brandner [AfD]: Herr Woidke auch!)

Ich habe als Kind immer gehört: Angst machen gilt nicht. – Das ist wieder mal Angstpolitik. Es gibt unabhängige Untersuchungen dazu. Die Preise könnten tatsächlich ansteigen – Sie haben Recht – um 0,2 bis 0,4 Cent pro Kilowattstunde. Das entspricht ungefähr 1 Prozent des normalen Strompreises. Das können Sie locker über einen Anbieterwechsel kompensieren. Das können Sie locker mit dem, was die Kommission vorgeschlagen hat, kompensieren. Sie hat vorgeschlagen, dass die Netzentgelte gesenkt oder die Stromsteuer angepasst werden soll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Herr Saathoff – ich habe die Uhr angehalten –, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hilse?

Johann Saathoff (SPD): Nein.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ich finde besonders interessant: Sie wollen CO2-Zertifikate kaufen und löschen, ohne dabei zu sagen, wer das eigentlich bezahlen soll. Am Ende werden es auch wieder die Stromkunden sein, die das bezahlen müssen – mal abgesehen davon, dass das, was Sie vorschlagen, europarechtlich extrem fraglich ist.

Sie sagen: Braunkohleverstromung hätte es eh nur bis 2045 und danach nicht mehr gegeben. Dabei lassen Sie völlig außer Acht, dass sich diese Kommission nicht nur damit beschäftigt hat, wann das Ende der Braunkohleverstromung eintritt. Sie hat sich vielmehr vor allen Dingen damit beschäftigt, was mit den Menschen in diesen Regionen passiert und wie der Strukturwandel abgefedert werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Das scheint Ihnen völlig egal zu sein.

Sie klagen, dass nach Ende der Braunkohleförderung – das ist jetzt wirklich spannend – die Erhöhung der Abhängigkeit von Energieimporten eintritt. Der größte Primärenergieträger in Deutschland ist Öl – um das einmal klar zu sagen –, und das produzieren wir nicht in Deutschland. Wenn Sie in dieser Frage wirklich auch noch eine nationale Unabhängigkeit anstreben, dann müssen Sie sich massiv für erneuerbare Energien einsetzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Konsens wird darüber hinaus als Planwirtschaft bezeichnet. Das ist keine Planwirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist ein breiter Konsens aller gesellschaftlichen Gruppen, und der ist nicht kleinzureden, sondern er ist mitzutragen und umzusetzen. Das gebietet auch die Achtung vor den Mitgliedern der Kommission. Hier geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch um Anstand und um Respekt.

(Beifall bei der SPD)

Es geht auch um Planungssicherheit für die Regionen selber. Denn die haben überhaupt nichts davon, wenn man diesen Konsens wieder zerredet. Sie haben vielmehr einen Anspruch darauf, dass wir ihn auch umsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben viel Arbeit vor uns – keine Frage. Aber man sieht an den Anträgen auch, dass es eine breite Bereitschaft zur Mitarbeit gibt, von ganz links bis kurz vor ganz rechts. Wir müssen alle möglichen Gesetze im Energiebereich anpassen – das EEG, das den Ausbaupfad beschreiben soll, inklusive der Entwicklung der Akzeptanz, die Netzentwicklungspläne, das Netzausbaubeschleunigungsgesetz, die Bundesbedarfsplangesetze –, und wir müssen eine ganze Abgaben- und Umlagenreform durchführen, damit die Bezahlbarkeit nach wie vor im Griff gehalten wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Arbeit, die wir zu tun haben, ist unerlässlich.

Gut ist, dass wir auch vorhaben, alle drei Jahre eine Zwischenüberprüfung unserer Ziele vorzunehmen, damit wir nicht am Ende des Prozesses merken, dass wir vielleicht in Schwierigkeiten sind.

Am Ende lassen Sie mich sagen: Sie reden immer alle miteinander – vor allen Dingen auf der äußerst rechten Seite – davon, dass es teuer wäre, die Energiewende einzuleiten. Keine Energiewende, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre die allerteuerste Lösung.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

Link zur Rede

 

Kurzintervention von MdB Hilse / Antwort von Johann Saathoff

 

Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Karsten Hilse das Wort.

Karsten Hilse (AfD): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Kurzintervention zulassen. – Schade, Herr Saathoff, dass Sie sich meiner Zwischenfrage eigentlich nicht stellen wollten. Aber jetzt darf ich ja sprechen.

Ich war gestern eingeladen beim Beirat für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit der Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen e. V. Da ging es um CO2-Bepreisung. Ich hatte mich dann auch einmal zu Wort gemeldet und gefragt: Meine Damen und Herren, Sie sind alle aus der Wirtschaft. Vertritt denn von Ihnen irgendjemand die Ansicht, dass wir Großindustriespeicher in Deutschland bräuchten, um Deutschland quasi bei einer Dunkelflaute versorgen zu können? – Auf diese Frage kam betretenes Schweigen.

Ich erinnere daran, dass es im Jahre 2016 eine Dunkelflaute von 14 Tagen gab. Es wurde errechnet, dass wir von der Kapazität her damals einen Stromspeicher gebraucht hätten, für dessen Bau die 452-fache Jahresproduktion an Lithium benötigt wird.

Es geht aber noch weiter. Am Nachmittag des 24. Januar dieses Jahres brach in Australien das Stromnetz fast zusammen

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– drei Minuten habe ich; bitte! –, weil die Windkraft quasi komplett ausgefallen war. In Südaustralien wurde die größte Tesla-Batterie, die es im Moment gibt, für 150 Millionen Dollar gebaut. Der Strompreis ging kurzzeitig auf 14 500 Dollar pro Megawattstunde nach oben. Diese große Batterie lieferte dann circa 100 Megawattstunden. 2 000 Megawattstunden kamen aus Dieselaggregaten, die circa 80 000 Liter Diesel pro Stunde verbrauchen. Die Australier hätten also 20 dieser 150 Millionen Dollar teuren Batterie gebraucht. Das Ganze wäre dann circa 30 Milliarden Euro wert. Die Australier brauchen ungefähr die Hälfte der Nennleistung, die wir brauchen.

Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Hilse.

Karsten Hilse (AfD): Wir brauchen 80 Gigawatt. Jetzt können Sie sich selber ausrechnen, wie groß die Speicher sein müssten und wie teuer sie wären, wenn wir Ihren Plan durchziehen würden.

Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Erwiderung, Herr Saathoff.

Johann Saathoff (SPD):

Herr Kollege Hilse,
ehrlich gesagt, fällt es mir ein bisschen schwer, die Frage zu identifizieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber es reicht ja, um auf Ihren Vortrag einzugehen. Ich bin froh, dass ich Ihre Zwischenfrage nicht zugelassen habe; denn sie wäre wirklich überhaupt nicht passend zu meiner Rede gewesen.

Aber niemand ist gefeit davor, auch ein bisschen klüger zu werden. Sie sprechen ja die Dunkelflaute an. Ich würde Ihnen und Ihrer Fraktion empfehlen, die ganze Energiewende auch einmal in einem europäischen Kontext zu betrachten. Wenn Sie natürlich immer nur Ihre nationale Brille aufhaben und nur nationale Kapazitäten sehen, aber nicht sehen, dass wir in einem vereinten Europa miteinander wirtschaften und uns entwickeln,

(Zuruf von der AfD: Aha! Die französischen Atomkraftwerke sollen es also richten!)

dann ist das Ihr Problem. Aber ich gebe Ihnen da gerne ein bisschen Nachhilfe.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Übrigens wird es nicht so sein, wie Sie es sich vorstellen, dass wir künftig, in den nächsten Jahrzehnten, riesige Speicher haben werden, sondern wir werden ganz, ganz viele kleine Speicher haben – überall. Auch da wird es dezentrale Lösungen geben, die Sie sich im Moment leider noch nicht vorstellen können.

Wenn Sie auf Australien rekurrieren, dann möchte ich an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen: Australien hat eben kein engagiertes, ehrgeiziges Erneuerbare-Energien-Programm, sondern setzt, im Gegenteil, sehr zu meinem Bedauern auf fossile Energie, zum Beispiel auf Kohleenergie. Wenn Sie Probleme in dem dortigen System beschreiben, dann beschreiben Sie die Probleme eines Landes, das auf fossile Energie im nationalen Kontext setzt. Das ist genau der falsche Weg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Link zur Antwort von Johann Saathoff auf die  Nachfrage von MdB Hilse