E&M: Herr Saathoff, wenn Sie mit einer Schulnote die Energiepolitik der schwarz-roten Bundesregierung nach gut einem Jahr beurteilen, welche Zensur vergeben Sie?
Saathoff: Vielleicht eine „3“. Besser auf keinen Fall. Wir haben im Energiesammelgesetz einige überfällige Themen angeschoben, haben aber dennoch noch einige Herausforderungen für das Gelingen der Energiewende zu meistern.
E&M: Klingt gut. Aber macht sich nicht zunehmend das Gefühl breit, dass mit dieser Bundesregierung und führenden Köpfen in den beiden Regierungsfraktionen die Energiewende nicht zu schaffen ist, weil einfach der Wille fehlt?
Saathoff: Diese Koalition hat eine viel zu lange Startphase mit der Diskussion um das sogenannte 100-Tage-Gesetz hingelegt. Es hat viel zu lange bis zur Verabschiedung des Energiesammelgesetzes gebraucht. Das hängt nach. Es ist zu viel liegen geblieben. Dazu zähle ich vor allem einen überzeugenden, nachvollziehbaren Pfad, wie wir den 65-Prozent-Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis 2030 schaffen wollen.
E&M: Ist dieser Plan nicht wirklich überfällig? Die Onshore-Windkraft hat im vergangenen Jahr den größten Einbruch beim Ausbau seit Anfang der 1990er Jahre erlebt und erreicht auch in diesem Jahr nicht einmal den geplanten Ausbau-Korridor von 2 800 MW brutto. Auf See wird abgesehen von den diesjährigen Projekten bis 2023 kaum etwas gebaut werden. Und bei der Photovoltaik, die sich gerade wieder berappelt hat, droht im kommenden Jahr mit Erreichen der 52 000-MW-Marke bei der Förderung ein erneuerter Einbruch.
Saathoff: Die Situationsbeschreibung ist richtig. Genau mit diesem wirklich wichtigen Ausbaupfad beschäftigt sich die Arbeitsgruppe Akzeptanz und Energiewende, mit der sich beiden Fraktionen vorgenommen haben, bis Ende März Lösungsvorschläge vorzulegen. Für mich steht dabei die Verlässlichkeit für die Wirtschaft ganz oben an. Das heißt bei der Offshore-Windenergie, dass wir bis 2030 ein Ausbauziel von mehr als die bislang verabredeten 15 000 Megawatt brauchen. Mit viel Schmackes sind meines Erachtens an die 20 000 MW drin. Mehr wohl nicht. Dafür brauchen wir einfach die neuen Netze. Zudem vergehen von der ersten Planung bis zur Inbetriebnahme eines Offshore-Windparks gut zehn Jahre. Außerdem brauchen wir einen verlässlichen, linearen Ausbau für die Windenergie Land. Die Zahlen dafür sind bekannt.
E&M: 4 000 Megawatt brutto und mehr im Jahr.
Saathoff: Das ist richtig. Zudem brauchen wir ein klares Bekenntnis, dass sich auch der Betrieb von Windkraftanlagen in Süddeutschland lohnt und der Ausbau in den dortigen Breitengraden deshalb Sinn macht. Sollten sich Bundesländer in diesen Regionen dem Windkraftausbau verschließen, sollten wir das unbedingt bei den weiteren Netzausbauplanungen berücksichtigen. Diese Länder müssen ausreichend mit Strom versorgt werden können, wenn die eigenen Landesregierungen dafür schon nicht sorgen.
E&M: Die angesprochene Arbeitsgruppe hat ein umfangreiches Programm. Sind wirklich alle Probleme, anfangen von Fragen zu Abstands- und Höhenbegrenzungsregelungen bis hin zu einem verbindlichen Ausbaupfad wirklich bis zum 31. März lösbar?
Saathoff: Bei gutem Willen aller Beteiligten: Ja. Das Klima in dieser Arbeitsgruppe ist wirklich gut. Wir haben wirklich viele Experten eingeladen, um endlich vom Hörensagen wegzukommen und Fakten präsentiert zu bekommen. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir bis zum 31. März zu einer Reihe von Lösungen kommen, sicher ist das aber keineswegs.
E&M: Heißt das, die von der Union geforderten neuen verbindlichen Abstände und die Höhenbegrenzungen für neue Windturbinen sind vom Tisch?
Saathoff: Die Frage können nur die Vertreter von CSU/CSU in der Arbeitsgruppe beantworten. Bis zum 31. März liegen auf jeden Fall noch vier spannende Wochen vor uns.
Hier geht es zum Interview auf der Homepage von Energie&Management