Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Manchmal wünsche ich sie mir zurück: die Zeiten, als es über alle Parteien hinweg einen Konsens gab, dass wir etwas gegen die Erdüberhitzung und für den Klimaschutz tun müssen – tun müssen! – als Vorreiter in der Welt,
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Das glaube ich, dass Sie sich den Konsens zurückwünschen!)
um zu zeigen, dass es geht, und um Mut und nicht Angst zu machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Wer macht denn hier Angst? – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Wovor Sie Angst haben sollten, ist die nächste Wahl!)
Es waren Zeiten, als es einen Konsens gab, dass wir etwas tun müssen als vertragstreuer Partner, der zum Beispiel zum Pariser Klimaschutzabkommen steht und vertragstreu ist, der verlässlich ist, meine Dame und meine Herren von der AfD, der verlässlich ist und nicht unberechenbar.
(Beifall bei der SPD)
Es war ein Konsens, dass wir etwas tun müssen aus Verantwortung unseren Kindern und Enkelkindern gegenüber, dass wir etwas tun müssen aus Verantwortung anderen Ländern gegenüber und deren Menschen, die von der Erdüberhitzung betroffen sind, dass wir nicht zuletzt auch etwas tun müssen aus industrie- und wirtschaftspolitischen Erwägungen heraus: Die Erneuerbaren erschließen neue Exportmöglichkeiten, schaffen neue Arbeitsplätze und neue Wertschöpfung.
Auch in diesen Zeiten mit dem beschriebenen Konsens gab es Debatten, und auch Streit gab es hier im Parlament – aber um das Wie und längst nicht mehr um das Ob. Wie weit sind wir zurückgeschritten in den letzten zwei Jahren? Das ist erschreckend. Und dann flattert wieder so ein Antrag von der ganz rechten Seite des Parlaments hier bei uns ein. In Zeiten, wo Hunderttausende Jugendliche Woche für Woche uns zu Recht ermahnen, mehr für den Klimaschutz zu tun, kommt so ein Antrag hier an. Wenn Sie auf diese jungen engagierten Menschen nicht hören wollen, hören Sie doch wenigstens auf Ihre eigene sogenannte Junge Alternative. Sie fordert Sie nämlich auf, von der schwer nachzuvollziehenden Aussage Abstand zu nehmen, der Mensch würde das Klima nicht beeinflussen.
(Karsten Hilse [AfD]: Nein, das tun sie nicht!)
Es ist doch schon beeindruckend, dass wir das lesen dürfen.
Aber zum Inhalt des vorliegenden Antrags. Darin beschreiben Sie, dass mit den Erneuerbaren der Strompreis unverantwortlich gestiegen sei. Das ist eine einfache Behauptung. Der Sachverhalt ist aber extrem kompliziert. Mit dem Aufbau der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten ging nicht zeitgleich der Abbau der fossilen Erzeugungskapazitäten einher. Deshalb hatten und haben wir derzeit ein Überangebot an Erzeugung. Mehr Angebot als Nachfrage führt dazu, dass der Börsenstrompreis sinkt. Das System der EEG-Vergütung ist also so aufgebaut, dass die Betreiber – übrigens nicht wenige Großkapitalisten, wie in dem Antrag steht, sondern Zigtausende Bürgerinnen und Bürger – eine garantierte Vergütung bekommen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Vergütung hängt von der Art der Produktion – ob Photovoltaik oder Windenergie – und vom Datum der Errichtung der Anlage ab. Je nachdem gibt es beispielsweise 6 Cent gesetzliche Vergütung. Nach dem EEG wird das EEG-Konto aber nicht mit 6 Cent belastet, meine Damen und Herren, sondern lediglich mit 6 Cent abzüglich des Börsenstrompreises. Der liegt heute bei 4,6 Cent pro Kilowattstunde.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], auf die rechte Seite des Hauses zeigend: Das ist gut, dass Sie das denen noch mal erklären!)
Das heißt, das EEG-Konto wird heute mit 1,4 Cent pro Kilowattstunde belastet. Das sind weniger als 5 Prozent des Strompreises. Ihre Angstmacherei ist absolut nicht gerechtfertigt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Übrigens, meine Damen und Herren, das System nennt man Marktpreismodell, falls das mal jemand googeln möchte. Sie tun in Ihrem Antrag so, also ob die Erneuerbaren massiv Einfluss auf den Börsenstrompreis haben, und das stimmt auch, aber einen preissenkenden und nicht preissteigernden Einfluss.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit dem Abbau der fossilen Erzeugungskapazitäten wird das Angebot geringer. Der Börsenstrompreis wird demzufolge steigen, und die EEG-Vergütung sinkt automatisch, weil die Anlagen mittlerweile auch sehr effizient sind, automatisch auf null, um das mal klar zu sagen. Im Offshoresektor haben wir schon 0‑Cent-Gebote gehabt. Die Lösung der von Ihnen aufgebauschten Probleme ist also bereits im EEG mit inbegriffen. Zugegeben: Es ist kompliziert, aber eigentlich doch zu verstehen. Wenn du keen Utweg süchst, heet dat neet, dat et keen Utweg gift.
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Kann ich die Übersetzung bekommen?
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das ist nicht notwendig!)
Johann Saathoff (SPD):
Ich entschuldige mich, Frau Präsidentin. Das heißt so viel wie: Wenn du keinen Ausweg siehst, heißt das nicht, dass es keinen Ausweg gibt. – Der ist nämlich im Gesetz normiert.
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen herzlichen Dank, Johann Saathoff. Wir freuen uns immer darauf und sind gespannt.
(Timon Gremmels [SPD]: Die Stenografen nicht!)