Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich habe in der letzten Rede auf Platt aufgehört, jetzt fange ich auf Platt an: Nooit an fummeln, wenn wat löppt. Oder für die, die Englisch können: Never change a running system. Das gilt generell, aber natürlich ist das auch ein wichtiger Grundsatz bei Gesetzesänderungen und ganz besonders bei Änderungen des Grundgesetzes. Änderungen des Grundgesetzes sind immer der Rede wert, auch wenn es sich wie hier um eine eher rechtstechnische Änderung handelt.
Der Gesetzentwurf schafft die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den ebenfalls heute von Ihnen zu behandelnden Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens. Mit dem unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz erarbeiteten einfachrechtlichen Gesetzentwurf soll die derzeit allein verbindliche Papierfassung des Bundesgesetzblattes abgelöst und die Verkündung auf einer digitalen Verkündungsplattform des Bundes ermöglicht werden. Der Gesetzentwurf sieht die Einführung der amtlichen elektronischen Veröffentlichung des Bundesgesetzblattes auf einer vom Bundesamt für Justiz betriebenen Internetplattform vor. Sie bietet gegenüber der papiergebundenen Ausgabe zahlreiche Vorteile: Sie beschleunigt den Ausgabeprozess, verbessert den Zugang zu amtlichen Inhalten und spart last, but not least Ressourcen.
Bislang muss die gedruckte amtliche Fassung entweder gegen Entgelt bezogen oder in Bibliotheken eingesehen werden. Bei dem schon heute im Internet verfügbaren Bundesgesetzblatt handelt es sich lediglich um elektronische Kopien, nicht um verbindliche amtliche Fassungen. Zudem ist die Funktionalität im unentgeltlichen Bürgerzugang eingeschränkt. Demgegenüber wird das elektronisch ausgegebene Bundesgesetzblatt unentgeltlich und barrierefrei zur Verfügung gestellt und kann ohne Einschränkungen gespeichert, ausgedruckt und verwertet werden.
Das elektronische Bundesgesetzblatt soll künftig das alleinige Verkündungsorgan für Gesetze und Rechtsverordnungen sein. Der Verlässlichkeit von Authentizität und Integrität wird durch hohe technische Sicherheitsvorkehrungen Rechnung getragen. Es ist unter anderem vorgesehen, dass jede Nummer des Bundesgesetzblatts mit einem qualifizierten elektronischen Siegel versehen werden muss, um die Echtheit und Unverfälschtheit jederzeit überprüfen zu können.
Die vorgesehene Umstellung auf eine ausschließlich elektronische Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen bedarf nach herrschender Ansicht unter den Verfassungsrechtlern einer Änderung von Artikel 82 Absatz 1 des Grundgesetzes, der bisher vorsieht, dass Gesetze ausnahmslos im „Bundesgesetzblatte“ zu verkünden sind. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm bedeutet dies eine Festlegung auf ein papiergebundenes Verkündungsorgan. Lediglich für die Verkündung von Rechtsverordnungen besteht wie ausgeführt bereits ein Vorbehalt einer anderweitigen gesetzlichen Regelung, die auch eine andere Form der Verkündung erlaubt, normiert in Artikel 82 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz.
Mit der von meinem Haus vorbereiteten Verfassungsänderung soll Artikel 82 Absatz 1 Grundgesetz um einen Gesetzesvorbehalt ergänzt werden, der alle Fragen der Verkündung sowie die Form der Gegenzeichnung und Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen umfasst. Die Verfassungsänderung enthält bewusst keine Festlegung auf eine bestimmte Form der Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen sowie zur Gegenzeichnung und Ausfertigung. Sie ist damit hinreichend offen und im besten Sinne verfassungsgemäß, also einer Verfassung gemäß formuliert.
Ich werbe bereits jetzt für die erforderliche Zustimmung zu dieser Änderung des Grundgesetzes nach Artikel 79 Absatz 2, wenn sich der Bundesrat im Herbst hiermit wieder befassen wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!