Rede vor dem Bundesrat vom 12. Mai 2023 zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Moin, Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das ist kein neuer Zustand, auch keine neue Erkenntnis, sondern das gilt faktisch schon lange. Leider haben wir zu unserem eigenen Schaden unsere Politik zu lange nicht an dieser Einsicht ausgerichtet. Das spüren wir jetzt an allen Ecken und Enden. Diese Einsicht teilen nicht zuletzt auch zahlreiche Vertreter der Wirtschaftsverbände wie des BDI oder der IHK, denn in der Konsequenz fehlen uns heute Hunderttausende qualifizierte Kräfte in der Pflege, in der Kinderbetreuung, in der IT-Branche, im Handwerk und vielen anderen Bereichen.

Ende letzten Jahres gab es rund 2 Millionen offene Stellen. Das ist der höchste je gemessene Wert. Und die wirklich große Herausforderung steht uns kurz bevor, wenn ab 2025 die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Der Mangel an Fachkräften ist mittlerweile für alle spürbar, etwa wenn die Kita die Betreuungszeiten einschränken muss, wenn wir wochenlang auf den Handwerkertermin warten müssen und wenn in Krankenhäusern die Personalplanung an ihre Grenzen stößt. Der Fachkräftemangel schadet unserem Land.

Wir dürfen nicht zulassen, dass der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse wird. Deshalb richtet sich die Bundesregierung an der Einsicht aus, dass wir mehr Zuwanderung von Fachkräften aus anderen Ländern brauchen, um unseren Fachkräftebedarf zu decken. Ohne diese Zuwanderung wird es nicht gehen. Wir sind ja das Ministerium des Inneren und für Heimat, deswegen sage ich es in meiner Heimatssprache: [Bitte hier ergänzen]

Wir dürfen uns nichts vormachen: Deutschland ist für ausländische Fachkräfte bisher nicht das Topziel. Dafür gibt es viele Gründe, und ganz sicher gehört dazu, dass unsere aktuellen gesetzlichen Regelungen viel zu bürokratisch sind und für qualifizierte Menschen, die in Deutschland arbeiten wollen, hohe Hürden darstellen. Wenn sie die Wahl haben, entscheiden sich Fachkräfte oft, aus unterschiedlichen Gründen, für andere Länder, zum Beispiel für die USA oder Kanada. Deutschland steht mit diesen Ländern im Wettbewerb um die besten Köpfe, deshalb lohnt es sich, das dortige Einwanderungsrecht genau zu betrachten und daraus zu lernen.

Unsere Regierungskoalition leitet den nötigen und überfälligen Paradigmenwechsel ein, damit ausländische Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen, hier schnell Fuß fassen können und sich vor allen Dingen auch sicher und willkommen bei uns fühlen. Ohne Willkommenskultur und die soziale Integration wird es nicht gehen.

Der wichtigste Weg nach Deutschland wird auch in Zukunft ein in Deutschland anerkannter Abschluss sein. Daneben eröffnen wir den Weg über die Erfahrung: Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss hat, kann künftig als Fachkraft kommen. Der dritte Weg richtet sich nach dem Potenzial, das die Menschen für den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen. Wir führen eine Chancenkarte ein, die auf einem Punktesystem basiert. Damit erleichtern wir die Suche nach einem Arbeitsplatz deutlich.

Ich bin mir bewusst, dass das Regelungspaket aus Gesetzentwurf und dem Entwurf der Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, mit der sich der Bundesrat auch noch zu befassen haben wird, ein komplexes ist. Wir haben aus meiner Sicht gute, ausgewogene und tragfähige Lösungen erzielt, für deren Unterstützung ich ausdrücklich werbe. Die Länder werden – davon bin ich fest überzeugt – von der steigenden Erwerbsmigration nachhaltig wirtschaftlich und gesellschaftlich profitieren.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass dieses Mehr an Zuwanderung auch administriert werden will. Die Rolle der Länder, etwa bei der Umsetzung des Aufenthaltsrecht und im Bereich der Berufsanerkennung, ist zentral. Ihre Expertise ist uns wichtig. Die insgesamt 41 Antragsziffern zum Gesetzentwurf zeigen, wie intensiv das Thema auch von Ihnen diskutiert wurde. Dafür bin ich dankbar. Bei aller Kritik im Detail und bei allen Hinweisen auf Verbesserungspotential spüre ich ein grundsätzliches Wohlwollen, was die Zielstellung angeht.

Unser Ziel ist ein solider, handhabbarer und zukunftsorientierter Rahmen. Dabei stehen die Regelungen nicht isoliert. Völlig bewusst bin ich mir darüber, dass die Regelungen von spürbaren und nachhaltigen Verbesserungen in vielen Bereichen begleitet werden müssen: von A wie „Anerkennungsverfahren“ bis Z wie „zentrale Stellen“ für die Prüfung mancher Voraussetzungen, um nach Deutschland kommen zu können.

Die Bundesregierung hat sich in ihren Eckpunkten zur Fachkräfteeinwanderung ein langes Pflichtenheft gegeben. All dies kann nur gelingen, wenn wir die Zeit bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung und darüber hinaus nutzen und alle Beteiligten an einen Tisch holen, wie wir das auch schon bei der Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes aus der vergangenen Legislaturperiode getan haben. Hier liegt ein gutes Stück Arbeit vor uns, aber ich bin zuversichtlich, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben und gemeinsam zu zielführenden Lösungen kommen werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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